Historiker*innen (Berlin Take)
06.09.2019 –
15.09.2019
Historiker*innen (Berlin Take)
Eiko Grimberg, Jana Engel, Arne Schmitt
Haus1 | Waterloo Ufer 1 | Berlin
Eröffnung | 6. September | 19 Uhr
Öffnungszeiten | Mittwoch–Sonntag, 14–18 Uhr
Die Historiker*innen erkennen in Momenten der Architektur Repräsentanzen von Herrschaft. Charakteristisch für die Herrschenden von heute ist, dass ihre Repräsentanz kaum über eine eigenständige, neue Gestalt verfügt: Die ästhetische Form wird aus der Geschichte hervorgekramt, heutige Herrschaftsbauten stecken in historischen Kostümen. Diese Kostüme aber sitzen oftmals nicht richtig, sie sind fragil und albern. Eine der ältesten und machtvollsten (aber auch abgeschmacktesten) architektonischen Elemente ist die antike Säule.
Jana Engel hat in ihrer Filmarbeit Treasury Vol. III (Icons) Embleme von Banken gesammelt, in denen solche Säulen vorkommen. Die antiken Säulen sollen natürlich auf Stabilität verweisen, das Bankenwesen ist heute aber eine gefährdete Sorte von Unternehmertum. Die wirklichen antiken Säulen sind meist Teil einer Ruinenlandschaft, und auch ihre originären Institutionen waren nicht für die Ewigkeit gemacht. Im Haus1 zeigt Jana Engel eine Landschaft aus Säulentrümmern, die sie aus Zucker gefertigt hat. Die Oberflächen funkeln, so als handelte es sich um eine Kostbarkeit – die Kaufpreise für industriellen Zucker sind allerdings niedrig. Das war nicht immer so: Zucker definierte als eine der ersten wichtigen Kolonialwaren den Weltmarkt in seiner Entstehungsphase. Jana Engels ausgestellte Säulenelemente sind als Verkleidungen zu erkennen, die um einen Kern gelegt waren. Nun sind es abgefallene Kleider.
Eiko Grimberg verfolgt in seiner Fotoarbeit Rückschaufehler seit 2011 den Wiederaufbau des Berliner Schlosses. Das barock dominierte Kaiserschloss wurde in der DDR gesprengt und an seiner Stelle der Palast der Republik errichtet, der wiederum nach der Wiedervereinigung zu Gunsten eines Neubaus des Schlosses abgerissen wurde. Herrschaftsarchitektur ist also allein schon deswegen nicht ewig, weil keine Herrschaft ewig ist. Eiko Grimberg folgt in seiner Arbeit den Mythen, die um das Schloss kursieren. Wenn die Geschichte stimmt, dass Trümmer des gesprengten Berliner Schlosses in einem Affenfreigehege im Tierpark Friedrichsfelde verbaut worden sind, dann hat die DDR-Administration tatsächlich Humor bewiesen. Auch die Vorstellung, dass aus der Bronze einer eingeschmolzenen Stalinskulptur die Figur einer Säbelzahnkatze für den Tierpark gegossen wurden oder marmorne Wandverkleidungen der geschleiften Reichskanzlei in der nächsten U-Bahn-Station verbaut worden sind, freut sich über die „Ironie der Geschichte“. Eiko Grimberg folgt der Spur der Steine. Der Begriff „Rückschaufehler“ bezeichnet eine durch die Kenntnis des tatsächlichen Ausgangs der Ereignisse verzerrte Erinnerung an die eigene Prognose. Die Vorhersage wird im Nachhinein korrigiert. Man möchte nicht wahrhaben, wie falsch man einmal lag. Den diversen urbanen Legenden und Realitäten Berlins, denen er in diesem Projekt nachgeht, ist der unbewusste Wunsch nach historischer Korrektur gemein.
Arne Schmitt zeigt in seiner Fotoreihe Kunst nach 45 Ausschnitte unterschiedlicher Bauwerke: Garageneinfahrten, Unterführungen, Bürogebäude, Kunst im öffentlichen Raum. Es handelt sich dabei meist um Bauten, die im weiteren Sinne der bundesdeutschen Nachkriegsmoderne zuzurechnen sind. „Kunst nach 45“ ist eine unscharfe Bezeichnung für Kunst, die im Nachkriegsdeutschland entstanden ist. Sowohl informelle als auch konzeptuelle Malerei, die Gruppe ZERO oder auch Joseph Beuys werden dazu gerechnet. Es gibt Auktionen und Galerien für „Kunst nach 45“ – eine tatsächliche Stilbezeichnung ist es aber nicht. Dennoch behauptet der Terminus eine neue und unschuldige deutsche Kunst, die mit „vor 45“ genauso wenig zu tun hat, wie mit „vor 33“. Eine Art von Geschichtsvergessenheit, die im Architekturdiskurs auf eine ähnliche Weise funktioniert. Die Ausschnitte der Bauwerke auf Schmitts Fotos erinnern an unbestimmte Werke westdeutscher Nachkriegskunst.