Arne Schmittt

04.06.2016 –
09.07.2016

Zwei Arbeiten

Arne Schmitts Arbeiten handeln von Geschichte, Gesellschaft und Ideologie – auf der Folie von Architektur und Städtebau. Er zeigt dabei etwa die Übergänge und Brüche zwischen den verschiedenen deutschen Staaten auf – vom frühen 20. Jahrhundert bis heute – zwischen Nationalsozialismus und der neugegründeten BRD und schließlich auch im wiedervereinigten neoliberalen Deutschland. Für seine Argumentationen stellt er stets Fotografien und Texte in engen Zusammenhang. Durch diese Montagen legt er die ideologischen Schichten offen, auf denen Architektur und Stadt gebaut sind. Dabei arbeitet er künstlerisch wie analytisch, entlang an Bauten, Bildern und Texten.

In seiner zweiten Einzelausstellung in der Galerie K' zeigt Arne Schmitt eine Konstellation von zwei Arbeiten. "Mit weniger mehr schaffen" ist ein Film zum Lehrbuch des deutschen Architekten Ernst Neufert, zu dessen Ledigenheim in Darmstadt Schmitt bereits 2015 gearbeitet hatte. Neuferts "Bauentwurfslehre" wurde 1936 zuerst veröffentlicht und gilt bis heute als Standardwerk in der architektonischen Praxis. Im Film wird dieses höchst technische und reich illustrierte Fachbuch auf seinen ideologischen Gehalt hin "gelesen": Während sporadisch eine Auswahl von Buchseiten bildlich abgerufen wird, stellt die Sprecherinnenstimme all jene grundlegenden theoretischen Zusammenhänge her, die durch den ausgewiesenen Praxisbezug des Buches unterschlagen werden. Durch die intermediale Montage des Films wird der ideologische Gehalt sichtbar, der im Nationalsozialismus seinen Ausgangspunkt hat und seitdem durch 40 Auflagen hindurch von den Herausgebern aktualisiert wird.

In seiner fotografischen Arbeit "So viel wie nötig, so wenig wie möglich" beschäftigt sich Schmitt mit der Umnutzung des Sulzer Areals in Winterthur. In den Sulzer Werken wurden die ersten Dieselmotoren, später auch Webmaschinen und Schiffsmotoren gefertigt. Bis in die 1980er Jahre hinein war es Mittelpunkt der örtlichen Industrie und der Stadt Winterthur. Nachdem Sulzer den Standort aufgegeben hatte, begann ein langwieriger Transformationsprozess: Auf dem Gelände ist heute ein neues Viertel aus historischen, umgenutzten und modernen, neuerrichteten Gebäuden entstanden - ein Quartier zwischen Soziokultur, Kreativwirtschaft und Luxus, wie man es in vielen Städten heute findet. Mit den Mitteln von Fotografie und Text beschreibt Arne Schmitt das Sulzer Areal als exemplarische Formation des Neoliberalen in Architektur und Städtebau.

Radek Krolczyk

 

Was könnte dagegen einzuwenden sein, gerade das Benötigte bereitzustellen? Oder dagegen, das Bestmögliche mit dem geringsten Einsatz zu erreichen? Die Argumente der Ökonomie sind schwer zu entkräften, besonders in Zeiten behaupteten Mangels: sie legen nahe, Widersprüche zu befrieden, anstatt sie aufeinanderprallen zu lassen – sich auf Vertrautes zu verlassen, anstatt Neues zu erproben. Die grundlegenden Fragen (Wozu dient etwas? Wem nützt es, wem schadet es?) verstummen zugunsten der praktikablen (Was ist machbar? Wo liegt der Mittelweg, der Kompromiss?).

Dabei wird bewusst unterschlagen, dass gerade die Krisenzeit das Potential nachhaltiger Veränderung birgt. Vor die Wahl zwischen A und B gestellt, vergisst man schnell, dass einst C möglich war und künftig D vorstellbar ist.

Arne Schmitt